Zwänge
Gewohnheiten und Rituale sind in unserem Alltag wichtig und notwendig, da wir dadurch nicht in jedem Moment neue Entscheidungen treffen müssen. Diese automatisierten Verhaltensmuster ermöglichen uns, effizienter zu handeln und Energie zu sparen. Jedoch können sich Gewohnheiten in manchen Fällen zu Zwangserkrankungen entwickeln, wenn sich das zeitliche Ausmaß der Durchführung unverhältnismäßig steigert und von intensiver Anspannung begleitet wird.
Was sind Zwangserkrankungen?
Eine Zwangserkrankung ist eine Erkrankung, die wiederkehrende, störende Gedanken und Handlungen beinhaltet. Diese Zwänge sind oft mit intensiver Anspannung verbunden, die die Betroffenen dazu veranlässt, bestimmte Handlungen immer wieder auszuführen. Zwangsstörungen können erhebliche Auswirkungen auf das tägliche Leben, die Produktivität und die zwischenmenschlichen Beziehungen haben. Beispiele für Zwangshandlungen sind exzessives Waschen (Bedürfnis nach Sauberkeit), exzessives Kontrollieren z.B. der Haustür oder des Herds, exzessive Ordnung, wiederholtes Zählen von Dingen, wiederholte Aktivitäten oder Sammel- und Aufbewahrungszwänge (jew. Bedürfnis nach Sicherheit). Zwangsgedanken treten typischerweise begleitend mit Zwangshandlungen auf, können jedoch auch alleinstehend auftretend. Insbesondere Gedanken sexueller Natur oder solche, die Gewalt beinhalten, sind für Betroffene oft besonders belastend, da sie im Widerspruch zu ihren gelebten moralischen Werten stehen.
Auszug aus Behandlungsmöglichkeiten:
- Psychoedukation: Gemeinsam mit den Betroffenen wird ein Modell zur Aufrechterhaltung der Erkrankung erarbeitet. Dabei werden die emotionale, gedankliche, körperliche und Verhaltensebene beleuchtet.
- Konfrontation und Reaktionsverhinderung: Dies stellt das zentrale und wirksamste Element der Behandlung dar und beinhaltet das Aufsuchen von auslösenden Situationen, wobei naturgemäß Anspannung und Unruhe auftreten. Nur durch die Verhinderung der Ausführung des Zwanges kann die Klient:in erleben, dass die Unruhe von selbst mit der Zeit abnimmt, wenn er/sie auf die Rituale verzichtet.
- Kognitive Therapie: Hierbei wird u. A. vermittelt, dass jeder Mensch nur bedingt Einfluss auf seine Gedanken hat – man denke z.B. an einen Ohrwurm, der einen nicht loslässt… – und Gedanken nicht mit Handlungen gleichzusetzen sind. Zudem versuchen viele Betroffene, ihre Gedanken zu unterdrücken, was oft dazu führt, dass die Gedanken noch aufdringlicher werden. Daher erweist sich eine Konfrontation mit den aufdringlichen Gedanken auch hier als am effektivsten.
Fazit:
Betroffene von Zwangserkrankungen suchen häufig erst nach Jahren erstmals professionelle Hilfe auf, da in der Gesellschaft immer noch Stigmata bezüglich der Erkrankung bestehen. Dabei geht man davon aus, dass ungefähr 2-3% der Bevölkerung unter einer Zwangserkrankung leiden. Heutzutage stehen effektive kombinierte medikamentöse und therapeutische Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, welche den Betroffenen Wege aufzeigen, die Spirale der Zwänge zu durchbrechen und zu mehr Lebensqualität verhelfen.
Quellen:
Reinecker, H. (2009). Zwangshandlungen und Zwangsgedanken. Hogrefe Verlag GmbH & Company KG.
Salkovskis, P. M., Ertle, A. & Kirk, J. (2018). Zwangsstörung. In J. Margraf & S. Schneider, Lehrbuch der Verhaltenstherapie: Band 2: Psychologische Therapie bei Indikationen im Erwachsenenalter (4. Auflage), Springer-Verlag.