
AD(H)S im Erwachsenenalter
AD(H)S (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) ist eine neurobiologische Besonderheit, die sich auf die Regulation von Aufmerksamkeit, Impulsen und das Aktivitätsniveau auswirken kann. Sie beginnt in der Kindheit (betrifft etwa 5–7 % der Kinder) und bleibt bei bis zu zwei Dritteln der Betroffenen bis ins Erwachsenenalter bestehen. AD(H)S beeinflusst viele Bereiche des täglichen Lebens und kann zu Herausforderungen in Schule, Beruf und sozialen Beziehungen führen. Gleichzeitig haben Betroffene auch oftmals Stärken wie Kreativität, Flexibilität und Spontanität.
Was sind die Ursachen von ADHS?
- Genetische Faktoren: ADHS ist stark erblich (ca. 75%). Das bedeutet, dass die Symptomausprägung zu ungefähr 75% auf genetische Faktoren zurückgeführt werden kann. Dabei ist nicht ein Gen alleinig beteiligt, sondern sind mittlerweile 27 beteiligte Gene identifiziert, wobei Forscher:innen die Gesamtanzahl auf hunderte oder tausende Gene schätzen.
- Neurobiologische Faktoren: Besagte Gene beeinflussen dabei die strukturelle und funktionelle Gehirnentwicklung. Dabei lassen sich Unterschiede in Hirnregionen wie dem präfrontalen Kortex, Striatum und Kleinhirn sowie eine veränderte Neurotransmitter-Regulation (Dopamin und Noradrenalin) feststellen.
- Pränatale Faktoren: Mütterlicher Stress, Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht sowie Rauchen und Alkohol in der Schwangerschaft sind mit der Entstehung von AD(H)S assoziiert.
- Psychosoziale Faktoren: Belastende Lebensumstände verursachen kein AD(H)S, können aber die Symptome verstärken.
Was sind die Symptome von ADHS?
Während im Kindesalter noch Symptome wie eine gesteigerte motorische Aktivität, geringe Frustrationstoleranz und Aggressivität im Vordergrund stehen, manifestieren sich die drei Kernbereiche im Erwachsenenalter meist auf etwas andere Weise. Beispiele für klinische Manifestationen der ADHS im Erwachsenenalter sind:
- Unaufmerksamkeit/Konzentrationsprobleme: Probleme mit der Fokussierung der Aufmerksamkeit, leichte Ablenkbarkeit, aber auch die Fähigkeit zum Hyperfokus
- Desorganisiertheit, Schwierigkeiten bei der Zeiteinschätzung und -einteilung
- Vergesslichkeit, Dinge werden verloren
- Schwierigkeiten, Projekte und Aufgaben anzufangen und zu beenden
- Hyperaktivität (nicht immer sichtbar): Inneres Unruhegefühl, Gedankenrasen oder hoher Bewegungsdrang
- Impulsivität: Spontanes Handeln, Schwierigkeiten mit dem Abwarten, Neigung, ohne Überlegen zu handeln, risikoreiches Verhalten
- Impulsive Entscheidungen im Hinblick auf Geld, Reisen, Arbeit oder soziale Aktivitäten
- Intensive Emotionen und Stimmungsschwankungen
- Schneller Wechsel von Aktivitäten
- Oft häufiges Wechseln der Arbeit und Schwierigkeiten in Paarbeziehungen
Während die ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) sowohl durch Aufmerksamkeitsprobleme als auch durch Hyperaktivität und Impulsivität gekennzeichnet ist, wird ADS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) als Variante ohne ausgeprägte Hyperaktivität/Impulsivität verstanden. Diese Form, oft als „vorwiegend unaufmerksamer Typ“ bezeichnet, zeigt sich vor allem durch Konzentrationsprobleme, Vergesslichkeit und eine Neigung, gedanklich abwesend zu sein. Menschen mit ADS fallen daher oft weniger auf als jene mit klassischer ADHS-Symptomatik, haben jedoch ähnliche Herausforderungen im Alltag. Bei der weiblichen Ausprägung der AD(H)S stehen vor allem die Ablenkbarkeit und das Verträumt sein im Vordergrund. Im Durchschnitt ist die Impulsivität niedriger. Die innere Unruhe ist bei genauem Nachfragen oft genauso stark ausgeprägt, wird aber weniger nach außen getragen.
Wie kann man AD(H)S behandeln?
Die Behandlung von AD(H)S erfordert einen ganzheitlichen Ansatz. Bei leichter Symptomatik wird primär eine psychotherapeutische bzw. psychologische Therapie empfohlen, während bei mittelgradiger AD(H)S entweder eine intensivierte psychologische Therapie, medikamentöse Behandlung oder eine Kombination empfohlen wird. Bei schwerer AD(H)S steht zumeist eine medikamentöse Behandlung im Fokus, eventuell mit begleitender psychologischer Therapie.
Auszug aus psychologischen Behandlungsmöglichkeiten:
Impulskontrolle
Mit diesen Techniken können Sie lernen, Ihre Impulsivität und Ablenkbarkeit zu reduzieren. Hier geht es in erster Linie darum, häufig als automatisch erlebte Abläufe, die zu impulsivem und unkonzentriertem Verhalten führen, zu unterbrechen und durch ein „besser geeignetes“ Verhalten zu ersetzen. Diese Techniken bedürfen einiges an Übung, man kann sie ein bisschen wie ein Sporttraining verstehen, bei dem man neue, schwierige Bewegungsabläufe erlernt, nur dass das Training der Impulskontrolle im Kopf stattfindet.
Emotionsregulation
Diese Ansätze fokussieren darauf, den Umgang mit starken und oft überwältigenden Gefühlen zu verbessern und zu lernen, in emotionalen Situationen angemessener zu reagieren und Gefühle besser kontrollieren zu können.
Alltagstechniken
Mit Alltagstechniken sind Ansätze gemeint, die häufig mit AD(H)S verbundenen Probleme im Alltag besser zu meistern. Dazu gehören Dinge wie Selbstorganisationstechniken, Zeitmanagement, Methoden gegen Vergesslichkeit und Training zur Verbesserung der Prokrastination.
Kognitive Verfahren
Die kognitiven Verfahren beschäftigen sich besonders mit dem Einfluss unserer Gedanken auf unsere Gefühle und unser Wohlbefinden. Mithilfe der kognitiven Verfahren hinterfragen und verändern Sie Gedanken und Annahmen, von denen Sie erkannt haben, dass sie Ihnen nicht guttun.
Achtsamkeit
Achtsamkeitsmethoden können sowohl für die Impulskontrolle als auch für die Emotionsregulation eingesetzt werden. Bei diesem Ansatz, der seinen Ursprung in Meditationstechniken hat, geht es darum, die Welt und sich selbst wertfrei und gelassen wahrzunehmen und dadurch mehr Ruhe und Zufriedenheit zu erreichen.
Quellen:
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V., Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V. S3-Leitlinie ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, 1.0, Stand 2017.
Stieglitz, R. D., Nyberg, E., & Hofecker-Fallahpour, M. (2012). ADHS im Erwachsenenalter. Hogrefe Verlag GmbH & Company KG.
Barkley, R. A. (2023). Das große Handbuch für Erwachsene mit ADHS. Hogrefe AG.